Liebe Leserinnen und Leser,
Dinge, von denen wir nichts hören, bestehen für uns nur allzu oft nicht. Zurecht lesen wir viel über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. In Deutschland gibt es deshalb viel Hilfsbereitschaft, aber auch eine politische Auseinandersetzung über den Umfang der militärischen Unterstützung. Der verbrecherische Angriff der Hamas auf Israel und die Lage im Gaza-Streifen spielen in der öffentlichen Debatte und der Berichterstattung in den Medien eine große Rolle. Aber es gibt Krisen in der Welt, die bei uns keine Beachtung finden. Ich selbst war vor kurzem in Uganda. Als eines der ärmsten Länder der Welt hat Uganda rund 1,5 Millionen Flüchtlinge aus dem Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo, Somalia und Burundi aufgenommen. Trotz der Menschenrechtsprobleme in dem von Wetterextremen geplagten Uganda unterstützen wir daher das Land dabei, den vielen Flüchtlingen zu helfen. In Angola liegen nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg über eine Million Landminen im Boden. Neben Naturkatastrophen macht dies die Arbeit in der Landwirtschaft lebensgefährlich. 85 Prozent der Angolaner arbeiten in diesem Bereich. In Sambia leben mehr als 60 Prozent der Menschen von weniger als 1,90 Euro am Tag. In Burundi, dem ärmsten Land der Welt, sind 5,6 Millionen Kinder unterernährt.
Medien müssen bei der Auswahl ihrer Berichterstattung natürlich Publikumsinteressen, etwaige Beziehung zu Deutschland, geopolitische Fragen und den Zugang zu Regionen abwägen. Aber auch die vergessenen Krisen erreichen uns in Form von Flüchtlingsströmen, Kriegen, Krankheiten oder zerstörten Lieferketten. Die internationale Gemeinschaft steht in der Verantwortung, auch den ärmsten in der Welt Entwicklungschancen zu eröffnen – etwa durch Hungerbekämpfung, medizinische Grundversorgung oder Bildungsmöglichkeiten. Doch zu viele - auch politische Entscheidungsträger - machen es sich derzeit zu einfach, wenn sie die Herausforderungen hierzulande gegen die Unterstützung der hier nur beispielhaft genannten Länder ausspielen. Dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung drohen in den laufenden Haushaltsverhandlungen zum vierten Mal in Folge schmerzhafte Kürzungen. Es zeigt sich hier: Unser Land braucht dringend eine Wiederherstellung seiner wirtschaftlichen Stärke, auch um seiner internationalen Verantwortung gerecht werden zu können. Das ist moralisch geboten, liegt aber auch in unserem eigenen Interesse.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Hermann Gröhe