Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Der vorliegende Gesetzentwurf der FDP, der Linken, von Bündnis 90/Die Grünen zu den Staatsleistungen an Kirchen und Religionsgemeinschaften hat ein Thema zum Inhalt, das in der öffentlichen Diskussion immer wieder mit großer Polemik angegangen wurde und wird, weil Staatsleistungen ganz schnell als Privilegien der Kirchen verunglimpft werden, ihr Charakter als Ausgleich für Enteignungen der Vergangenheit geflissentlich übersehen wird. Darauf folgt dann regelmäßig - auch das sei zugegeben - geradezu reflexhaft die Verteidigung des Status quo. Daher ist es mir ein Anliegen, zu Beginn dieser Debatte durchaus zu würdigen, dass Ihr Gesetzentwurf einen wichtigen Beitrag zu einer sachlichen Diskussion über einen notwendigen Schritt zur Umsetzung eines Verfassungsgebots darstellt.
Ich hätte mir gewünscht, lieber Herr Strasser, Sie wären in Ihrer Rede nicht unnötig hinter die Sachlichkeit Ihres Gesetzentwurfs zurückgefallen; denn, ehrlich gesagt, eine Entschädigungsleistung als eine einem Nichtgläubigen nicht zumutbare Mitfinanzierung zu bezeichnen, wird der eigenen Beschreibung der Rechtsgrundlagen in Ihrem Gesetzentwurf in keiner Weise gerecht.
Dennoch sei der Gesetzentwurf in seiner Sachlichkeit gewürdigt, und auch von mir sei der Kollege Ruppert gegrüßt.
Meine Damen und Herren, Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung und Artikel 140 des Grundgesetzes zielen auf die finanzielle Entflechtung von Staat und Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften. Dieses Verfassungsgebot ist Bestandteil eines Regelungszusammenhangs, der gerade nicht auf eine laizistische, vollständige Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften zielt. Weimarer Reichsverfassung und Grundgesetz - in beiden Fällen war den Müttern und Vätern dieser Rechtsetzung die laizistische Ordnung, etwa in Frankreich, vor Augen - verbanden die Trennung von Staat und Kirche und die daraus gefolgerte religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates mit einem Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Status der Kirchen und einem Rahmen für die Mitwirkung der Kirchen und Religionsgemeinschaften im öffentlichen Bereich, wie er beispielsweise für die Militär- und Anstaltsseelsorge, den Religionsunterricht oder die theologischen Fakultäten geschaffen wurde.
Als CDU und CSU bekennen wir uns ausdrücklich zu diesem Leitbild partnerschaftlicher Kooperation.
Ohne die Beiträge der Kirchen und Religionsgemeinschaften zum öffentlichen Leben wäre unser Gemeinwesen ärmer und wäre es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt schlechter bestellt. In diesem Geiste wollen wir die Ablösung von Staatsleistungen umsetzen. Das bedeutet, die Ablösung muss auf die Erfüllung der vollen staatlichen Pflicht zielen.
Das erkennt Ihr Gesetzentwurf, indem er auf das Äquivalenzprinzip Bezug nimmt, ausdrücklich an. Ich sage das, weil es einen anderen Gesetzentwurf, den wir zu anderer Gelegenheit diskutieren werden, gibt, der eine bloße Beendigung von Staatsleistungen vorschlägt. Die Bewältigung früherer Enteignung durch eine neuerliche Enteignung beenden zu wollen, wäre geradezu absurd, meine Damen, meine Herren.
Die Ablösung betrifft in besonderer Weise das Verhältnis von Bund und Ländern. Deswegen erscheint es mir diskussionswürdig, dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf einen konkreten Faktor benennen - das 18,6-Fache - und nicht einen Korridor für individuelle Lösungen durch die Länder vorschlagen, wobei ich anerkenne, dass der Faktor 18,6 zeigt, dass Sie es mit dem Äquivalenzprinzip ernst meinen.
Ob es allerdings angemessen ist, den Ländern vor einer umfassenden Konsultation einen Zeitraum von fünf Jahren vorzuschreiben, halte ich für fragwürdig.
Deswegen glaube ich: Wir brauchen diese umfassenden Konsultationen; wir brauchen weitere Diskussionen. Ihr Gesetzentwurf gibt dazu weitere gute Gelegenheit.
Vielen Dank.