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Jüdische Militärseelsorge: Bundestag stimmt Staatsvertrag zu

Der Deutsche Bundestag hat dem Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland zugestimmt. In seiner Rede im Deutschen Bundestag würdigt Hermann Gröhe den historischen Beschluss.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich empfinde es als einen historischen Moment - und ich darf ganz persönlich sagen: auch als bewegend -, wenn heute der Deutsche Bundestag dem Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland zur Einrichtung einer Militärseelsorge für Jüdinnen und Juden in der Bundeswehr zustimmt - ein großer Moment, wie ich finde.

Ich will mich ausdrücklich für das Angebot, das im Februar des letzten Jahres der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, in diesem Zusammenhang öffentlich gemacht hat, bedanken. Ich fand es klug, selbstbewusst und sehr berechtigt, dass er von einem Angebot sprach. Es geht nicht um eine Forderung. Denn nach § 36 des Soldatengesetzes haben selbstverständlich Soldatinnen und Soldaten unabhängig von ihrem Glauben und ihrer Weltanschauung Anspruch auf Seelsorge in der Bundeswehr. Es ging darum, ein Angebot zu machen, wie die jüdische Gemeinschaft in Deutschland dabei unterstützend an die Seite unseres Staates sowie der Soldatinnen und Soldaten tritt.

Dieses Angebot knüpft an eine eindrucksvolle Tradition an - wenn wir etwa daran denken, dass der große Leo Baeck zu den rund 30 Militärrabbinern in der Armee Deutschlands während des Ersten Weltkriegs gehörte -, eine Tradition, die jäh unterbrochen wurde durch die unsägliche Nazibarbarei und die unsäglichen Verbrechen an den Juden Europas.

Nach der Gründung der Bundeswehr Ende 1955 hat es daher rund zehn Jahre gedauert, bis Ende der 60er-Jahre erstmals Juden - damals waren es ja nur Männer - sich auf den Weg zum Dienst in der Bundeswehr machten. Dem damals und in beschämender Weise auch heute sich immer wieder zu Wort meldenden ausgrenzenden Antisemitismus setzten sie ein selbstbewusstes „Dies ist unser Land“ entgegen, für das sie bereit waren einzustehen, auch mit ihrer Existenz.

Zu dieser Entscheidung von Juden - heute: von Jüdinnen und Juden -, in der Bundeswehr zu dienen, ist nun auch eine institutionelle Antwort des Zentralrats der Juden in Deutschland, der jüdischen Gemeinschaft hinzugetreten, die sagt: Wir treten an die Seite dieser Bundeswehr, wir treten an die Seite derjenigen aus unseren Reihen, die für dieses Land einstehen und dabei auch Risiken für Leib und Leben in Kauf nehmen. - Für dieses Geschenk einer so klaren Ansage an unser Gemeinwesen können wir wahrlich dankbar sein!

Meine Damen, meine Herren, wie wichtig die Seelsorge für Soldatinnen und Soldaten ist, haben viele von uns bei Besuchen bei der Bundeswehr im Einsatz erlebt. Gerade Auslandseinsätze, die die Soldatinnen und Soldaten mit existenziellen Fragen - Verwundung, Tod, Trauer - konfrontieren, aber auch mit ganz lebenspraktischen Fragen - gerade junge Menschen: mit der Trennung von Familie, Partner, gewohntem Umfeld -, all dies macht es wichtig, dass ihnen jenseits der Hierarchie Menschen zur Seite stehen, denen sie vertrauen können, die sie begleiten.

Ich bin ganz sicher, dass die jüdische Tradition, die Theologie und, wenn ich so sagen darf, auch die Lebensklugheit – nicht zuletzt durch die Mitwirkung der Militärrabbiner am lebenskundlichen Unterricht -, einen wichtigen Beitrag leisten kann zu einer guten Begleitung von Frauen und Männern in der Bundeswehr, unabhängig davon, welchem Glauben sie selbst angehören. Das ist ein starkes Signal. Ich freue mich, dass dies heute Zustimmung durch das deutsche Parlament findet.

Danke.