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Hermann Gröhe im Interview mit der NGZ

Im Interview mit der NGZ spricht Hermann Gröhe unter anderem über die Bedeutung von Kontaktvermeidung angesichts von Corona sowie über die Hilfen für Unternehmen und Beschäftigte.

Das vollständige Interview finden Sie auch hier

Rhein-Kreis Neuss Hermann Gröhe, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Neuss und früherer Bundesgesundheitsminister, begrüßt verschärfte Regelungen zum Schutz vor einer Ausbreitung des Coronavirus und fordert mehr internationale Zusammenarbeit bei der Suche nach einem Impfstoff.

Herr Gröhe, wann rechnen Sie mit dem Erlass einer Ausgangssperre?

Hermann Gröhe Wer für notwendige Besorgungen durch Neuss geht, sieht, wie leer die Straßen sind. Die eindringlichen Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel, zuhause zu bleiben und persönliche Kontakte zu meiden, zeigen wohl Wirkung. Dennoch halte ich es für richtig, dass jetzt am Sonntag eine strengere Kontaktsperre bundesweit verabredet wurde. Denn nur mit wirklich weitestgehender Kontaktvermeidung, kann die sich beschleunigende Ausbreitung der Infektionen wirksam abgebremst werden. Sonst droht eine Überforderung unseres Gesundheitswesens mit dramatischen Folgen. Alle, wirklich alle sollten sich an Auflagen und Empfehlungen halten! Deswegen war es auch richtig, dass Landrat Hans-Jürgen Petrauschke bereits entschieden hatte, dass die Polizei seit Samstag Versammlungen ab fünf Personen auflöst.

Es gibt Virologen, die den staatlichen Institutionen vorwerfen, nicht schnell und konsequent genug reagiert zu haben, etwa mit Blick auf Schulschließungen, Grenzkontrollen oder eben die Frage einer Ausgangssperre. Was halten Sie von solcher Kritik?

Gröhe Die Politik handelt auf allen Ebenen auf der Grundlage wissenschaftlicher Beratung, nicht zuletzt durch die herausragenden Fachleute des Robert-Koch-Instituts, dessen Leitung ich sehr gut kenne und dessen Empfehlungen ich voll vertraue. Natürlich gibt es unterschiedliche Auffassungen auch in der Wissenschaft. Aber jetzt ist nicht die Zeit nach Verantwortung für etwaige Fehleinschätzungen zu fragen. Jetzt müssen alle Kräfte darauf ausgerichtet sein, zu tun, was uns heute möglich ist.

Bayern geht bei Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in vielen Bereichen voran, andere Bundesländer reagieren zögerlicher. Wird der Föderalismus in der Krisensituation zum Problem?

Gröhe Die Länder sollten möglichst abgestimmt handeln! Und gerade unser Ministerpräsident Armin Laschet geht mit großer Entschlossenheit vor – denken Sie nur an das 25-Milliarden-Euro-Programm für Wirtschaft und Arbeitsplätze, bei dem auch Finanzminister Lutz Lienenkämper eine besondere Rolle spielt.

Vielen Unternehmen droht als Folge der Corona-Pandemie die Insolvenz. Kleinunternehmen sind mit Krediten kaum zu retten. Reicht das von der Bundesregierung beschlossene Hilfsprogramm?

Gröhe Kredite alleine reichen nicht aus. Deswegen braucht es auch richtige Zuschüsse – die ja Bestandteil der Anstrengungen des Bundes gerade für kleine Unternehmen sind. Und das Land NRW wird das passgenau ergänzen. Bund und Länder sind entschlossen, die erforderlichen Mittel bereitzustellen.

Wann ist damit zu rechnen, dass es Ausführungsbestimmungen zu den beschlossenen Hilfsprogrammen gibt? Banken wollen helfen, stehen aber vor dem Problem, dass ihnen die konkreten Instrumente fehlen.

Gröhe Es wird rund um die Uhr gearbeitet. Denn wir wissen, die Unternehmen haben keine Zeit für langwierige Verfahren, können nicht mehr lange auf Hilfe warten. Ganz offen gesagt: schnelles Handeln ist dabei jetzt wichtiger, als jeden Fehler zu vermeiden. Die steuerlichen Maßnahmen – Herabsetzung von Vorauszahlungen oder Stundungen – sind seit letztem Donnerstag veröffentlicht und stehen damit zur Verfügung. Die konkrete Ausgestaltung der Kredite und der Zuschüsse muss in diesen Tagen geschehen!

Viele Menschen sorgen sich um ihren Arbeitsplatz. Wie helfen die neuen Kurzarbeiterregelungen, Menschen im Job zu halten?

Gröhe Kurzarbeit verhindert Entlassungen und hilft Unternehmen. Deswegen habe ich mich sehr dafür eingesetzt, dass die Verbesserungen beim Kurarbeitergeld rückwirkend zum 1. März gelten. Das ist gelungen, wird aber ein echter Kraftakt für die Arbeitsagenturen. Jetzt die Arbeitsplätze zu erhalten, hilft dabei, nach der Krise möglichst schnell wieder Tritt zu fassen.

Der Rhein-Kreis Neuss gilt als wirtschaftsstark, ist aber auch in hohem Maße exportorientiert. Wie wird der Kreis die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie verkraften?

Gröhe Anders als in früheren Krisen ist jetzt die Wirtschaft insgesamt massiv betroffen. Insofern trifft es auch unsere heimische Wirtschaft hart, auch wenn diese insgesamt gut aufgestellt ist. Wir müssen daher jetzt alles uns Mögliche tun, unseren Unternehmen und den Beschäftigten zu helfen.

Die Kanzlerin hat die Menschen in Deutschland aufgerufen, verantwortlich mit Situation umzugehen. Dennoch beobachtet man Hamsterkäufe und Menschen, die Corona-Partys feiern. Was läuft da falsch in unserer Gesellschaft?

Gröhe Dass jetzt Einschränkungen verschärft werden, ist auch solcher Unvernunft zu verdanken. So mancher begreift nicht, dass es tatsächlich um Leben und Tod geht, auch weil er selbst noch gar keinen Erkrankten kennt. Das wird sich leider sehr bald ändern. Denn auch die jetzt ergriffenen Maßnahmen greifen erst in ein paar Tagen - und der Anstieg der Infektionen ist dramatisch. Zuhause bleiben rettet Leben!

Andererseits erleben wir auch eine Welle der Hilfsbereitschaft, in den sozialen Medien, in Vereinen, in Kirchen, in Nachbarschaften. Hat die Krise vielleicht auch ihr Gutes und die Kraft, unsere Gesellschaft positiv zu verändern?

Gröhe Das ist in der Tat beeindruckend! Menschen, die ihren Nachbarn, gerade den Älteren helfen! Dieses Miteinander und auch die besondere Wertschätzung für diejenigen, die jetzt für uns alle ihren Dienst tun, ob im Krankenhaus oder im Supermarkt, sollte auch nach der Krise bleiben.

International, aber auch in Europa reagieren die Staaten sehr unterschiedlich auf die Gefahr durch die Corona-Pandemie. Erleben wir gerade ein Versagen der EU und der Weltgemeinschaft?

Gröhe Nach der Ebolakrise wurde einiges getan, um die Weltgesundheitsorganisation zu stärken. Deutschland war und ist da Vorreiter. Wir brauchen aber noch viel mehr internationale Zusammenarbeit – ganz kurzfristig bei der Impfstoffsuche. Und wir brauchen Solidarität in der EU. Deswegen hat Deutschland jetzt Italien mit medizinischer Ausstattung geholfen.

Welche Folgen hat die Pandemie mit Blick auf die globalisierte Wirtschaft? Wir erleben negative Folgen von Globalisierung, zum Beispiel in Form der Abhängigkeit von Medikamentenproduzenten oder Herstellern von Schutzkleidung. Wird sich daran etwas ändern?

Gröhe Gerade in Deutschland leben wir von einer internationalen Arbeitsteilung. Aber wir müssen Abhängigkeiten von sehr wenigen Herstellern abbauen. Und wir werden Konsequenzen für die eigene Bevorratung ziehen müssen.

Wie verändert „Corona“ das Leben des Politikers und Bundestagsabgeordneten Hermann Gröhe?

Gröhe Telefon und Tablet sind die wichtigsten Werkzeuge am heimischen Schreibtisch. Täglich telefoniere ich mit Menschen im Wahlkreis, die sich Sorgen vor allem um den Arbeitsplatz oder den eigenen Betrieb machen. Vom Landwirt, dem die Saisonkräfte aus Polen fehlen, über den Einzelhändler bis zu den Verantwortlichen in der IHK oder unserer Sparkasse. Was ich dabei höre, fließt ein in meine praktisch täglichen Telefonate mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Arbeitsminister Hubertus Heil. Besonders wichtig ist aber auch der Kontakt zu Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, zu unseren Krankenhäusern – gerade mit Blick auf eine ausreichende Finanzierung in dieser besonderen Situation – sowie die tägliche Abstimmung in der Führung unserer Bundestagsfraktion. Die Arbeitsweise ist ungewohnt. Aber die Nähe zur Familie und Gottvertrauen sind jetzt meine wichtigsten Stützen.

Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde nach der Entscheidung von Bundesregierung und Bundesländern am Sonntag über eine verschärfte Kontaktsperre aktualisiert.