Es ist einer der Punkte aus dem Koalitionsvertrag, bei dem sich die Partner verhakt haben. Doch diesmal verläuft die Front nicht zwischen CDU/CSU und SPD, sondern zwischen SPD/CSU und CDU: Es geht um das Lieferkettengesetz. Deutsche Firmen, die im Ausland produzieren lassen, sollen gezwungen werden, dort für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. So sollen Kinderarbeit unterbunden, existenzsichernde Löhne garantiert und Umweltschäden verhindert werden.
Die CDU war bislang im Einklang mit den großen Wirtschaftsverbänden gegen ein derartiges Gesetz. Weil eine starke Belastung der Unternehmen befürchtet wird, setzen die Christdemokraten auf freiwillige Lösungen. Der bisherige Kompromiss: Nur wenn sich bei einer Umfrage herausstellt, dass weniger als die Hälfte der Firmen mit über 500 Mitarbeitern ihre Sorgfaltspflichten hinsichtlich der Menschenrechte erfüllen, soll es ein Gesetz geben. Als Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Anfang März erste Eckpunkte vorstellen wollten, obwohl die Ergebnisse der Umfrage noch gar nicht vorlagen, wurden sie vom Kanzleramt gestoppt.
Vize-Unionsfraktionschef Hermann Gröhe macht nun Druck und sieht sich dabei von einer Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt. „Zurzeit findet die Auswertung der Unternehmensbefragung statt. Ich denke aber, dass wir ein Lieferkettengesetz brauchen, um Sorgfaltspflichten zum Schutz der Menschenrechte zu stärken“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wir haben noch alle Chancen, das Gesetz in dieser Wahlperiode hinzubekommen. Wir sollten das also nicht in die nächsten Koalitionsverhandlungen verschieben“, so der CDU-Politiker. Immer mehr Verbraucher legten Wert darauf, mit ihrem Einkaufsverhalten kein Unheil anzurichten. Und auch in der Wirtschaft beobachtet Gröhe ein Umdenken: „Eine wachsende Zahl mittelständischer und großer Unternehmen tritt inzwischen für ein Lieferkettengesetz ein. Sie sind da weiter als mancher Verband.“
Der Vize-Fraktionschef forderte eine Versachlichung der Diskussion. „Es geht nicht um einen Generalverdacht gegen die Wirtschaft. Wir wollen Unternehmen dabei unterstützen, mit Afrika, Asien und Lateinamerika zu handeln und dort verantwortlich zu investieren“, sagte er. Zur Umsetzung schlägt Gröhe einen „klugen Mix von gesetzlicher Regelung und Selbstverpflichtungen“ vor. Dabei müsse allerdings unnötige Bürokratie vermieden werden. Angemessene Standards bei den Sorgfaltspflichten könnten die Arbeit aber sogar erleichtern, argumentierte der CDU-Politiker.
Das sehen auch Wissenschaftler der Konrad-Adenauer-Stiftung so. „Eine gesetzliche Regelung zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltschutzstandards wäre aus christdemokratischer Sicht eine durchaus denkbare Maßnahme, die positive Effekte für Unternehmen haben könnte“, heißt es in der Studie. Gleichzeitig sei allerdings die Kritik hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit und Umsetzbarkeit eines solchen Gesetzes berechtigt, schreiben die Autoren.
Den Artikel in der Frankfurter Rundschau finden Sie auch hier.
Die Veröffentlichung der Konrad-Adenauer-Stiftung finden Sie hier.