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Die Entwicklungspolitik verdient einen höheren Stellenwert!

Zum Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zeigte sich Hermann Gröhe dankbar, für die starke Unterstützung der Ukraine. Aber er machte deutlich, dass die Kürzungen im Haushalt in den nächsten Jahren schwerwiegende Folgen für die deutsche Entwicklungspolitik haben werden.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Ministerin! In der letzten Nacht haben russische Raketen ein Krankenhaus in Saporischschja getroffen und dabei die Entbindungsstation zerstört. Ein Säugling starb dabei.

Angesichts der russischen Angriffe auf das Stromnetz warnt der Regionaldirektor der Weltgesundheitsorganisation für Europa, Hans Kluge: „Dieser Winter wird für Millionen von Menschen in der Ukraine lebensbedrohlich sein.“ Aus dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ist längst ein verbrecherischer Vernichtungskrieg gegen die Menschen in der Ukraine geworden. Umso wichtiger ist es, dass wir mit ganzer Kraft an der Seite der Menschen in der Ukraine stehen.

Ich danke ausdrücklich den Berichterstatterinnen und Berichterstattern für ihren Besuch und auch für ihre bewegenden Schilderungen von dieser Reise. Bisher sind rund 600 Millionen Euro aus dem Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für die Unterstützung der Menschen in der Ukraine zur Verfügung gestellt worden. Manchen in unserem Land mag es ja zunächst überraschen, dass die Ukraine nach ihrem Pro-Kopf-Einkommen ein Entwicklungsland ist. Die schreckliche Wahrheit ist, dass die soziale und ökonomische Entwicklung dieses Landes weiter dramatisch zurückgeworfen wird. Insofern wird hier noch sehr viel mehr zu tun sein.

Aber es hilft jetzt, wenn Wohnraum für Binnenvertriebene und Flüchtlinge geschaffen wird, die medizinische Versorgung aufrechterhalten wird, psychosoziale Beratung für Menschen, die Unsägliches erfahren und erleben mussten, angeboten wird und Bildungsangebote bestehen bleiben.

Ich möchte sehr bewusst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMZ, aber auch den Partnerinnen und Partnern in der Zivilgesellschaft, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, der KfW und allen anderen für diesen Kraftakt danken.

Ich glaube, es ist gut - das zeigt sich ähnlich wie am Beginn der Coronapandemie -, dass unsere Entwicklungszusammenarbeit so flexibel ist, ein solches Handeln zu ermöglichen. Da ich die GIZ erwähnt habe, möchte ich auch der jetzt ausgeschiedenen Vorstandssprecherin Tanja Gönner für jahrelange herausragende Arbeit herzlich danken.

Zugleich möchte ich dem neuen Vorstandssprecher Thorsten Schäfer-Gümbel alles Gute für diese wichtige Arbeit wünschen.

Angesichts dieses Kraftakts, den ich begrüße, verwundert es aber schon, dass Sie glauben, mit einem Etat, der gemessen an den 13,4 Milliarden Euro aus dem Jahr 2021 um über 1 Milliarde Euro geringer ausfällt, in einer so krisenhaften Zeit auskommen zu können. Ja, es ist inzwischen 1 Milliarde Euro draufgelegt worden. Aber für Selbstzufriedenheit, die gelegentlich hier anklingt, ist wahrlich kein Platz.

Sie sollten nicht vergessen und es nicht nur der Opposition anlasten, dass Ihr Regierungsentwurf bei den Partnern, bei Brot für die Welt, bei Misereor, bei der Welthungerhilfe und bei vielen anderen mehr, einen empörten Schrei des Entsetzens ausgelöst hat. Es wäre übrigens angebracht, diesen Organisationen heute dafür zu danken, dass ihr Protest dazu beigetragen hat, dass peinliche Kürzungen, etwa bei UN Women und anderen Organisationen, inzwischen zurückgenommen werden konnten, was noch kein Aufwuchs und noch keine besonders eindrucksvolle feministische Politik ist, aber immerhin die Rücknahme schlimmer Kürzungen.

Viele von uns kennen die beeindruckenden jungen Menschen, die uns als Jugendbotschafter von ONE besuchen und dafür werben, unsere Arbeit fortzusetzen. Ihr Sprecher hat vor wenigen Tagen zu der 1 Milliarde Euro gesagt: „Wir dürfen uns davon nicht blenden lassen. Das reicht hinten und vorne nicht.“ - Das sagen diese jungen Leute.

Ja, 2021 gab es Sondermittel im Bereich der Pandemiebekämpfung; das will ich ausdrücklich ansprechen. Aber wir bräuchten sie jetzt als Verstetigung zur Pandemievorsorge, um die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass wir besser werden. Und es ist eine schlechte Nachricht, wenn beispielsweise die Mittel für die Stiftung für innovative neue Diagnostik, FIND, oder für die Entwicklung neuer Medikamente durch UNITAID auf null gestellt werden. Wer weiß, wie wichtig gerade die Zurverfügungstellung moderner Testverfahren in den ärmsten Ländern der Welt ist, um rechtzeitig Krankheiten und ihre Ausbreitung festzustellen und zu verhindern, der muss nur sagen: Ein solcher Einbruch in diesen wichtigen Bereichen globaler Gesundheit ist falsch.

Wir haben natürlich mit Interesse Ankündigungen, auch die des Bundeskanzlers, wahrgenommen, etwa den Anstieg der Klimafinanzierung, die Absicherung von Klimakrisen, die Mittel zum Artenschutz, der Globale Fonds, dessen Kürzungen wir hier mehrfach angesprochen haben - gut, dass da nachgelegt wird -, die Poliobekämpfung. Man fragt sich bei diesen begrüßenswerten Ankündigungen des Bundeskanzlers nur: Kennt er die traurige Hinterlassenschaft des Finanzministers Olaf Scholz im Finanzplan, wonach der BMZ-Etat 2024 auf 10,7 Mrd. Euro und 2026 auf 10,4 Mrd. Euro  sinken soll? Korrigieren Sie das! Sonst werden Ihre Versprechungen alles ungedeckte Schecks, meine Damen, meine Herren.

Und als solche tragen Sie nicht zur deutschen Verantwortung in der Welt bei. Nein, das ist für die Ampel kein Anlass zur Selbstzufriedenheit, vielmehr zur harten Arbeit, damit die Entwicklungszusammenarbeit wieder den Stellenwert erhält, den sie dringend braucht.

Herzlichen Dank.