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Frage 1: Wird die Bekämpfung des Hungers auch nach Ende der Sonderinitiative des scheidenden CSU-Ministers ein vorrangiges Anliegen deutscher Entwicklungszusammenarbeit bleiben?
Hermann Gröhe: Gerade die dramatischen Folgen der Corona-Pandemie für die Ernährungssituation in vielen armen Ländern verlangen weitere Anstrengungen. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir eine Welt ohne Hunger erreichen können, wenn gewaltsame Konflikte gelöst werden, die Ernährungshilfe gesteigert wird und die Erträge der Landwirtschaft weltweit verbessert werden.
Frage 2: Wie die Welt eine wachsende Bevölkerung ernähren soll, wird oft reflexhaft damit beantwortet, dass die Landwirtschaft mehr produzieren muss. Wie würden Sie das gestalten? Welchen Stellenwert räumen Sie dabei der häufig vernachlässigten ländlichen Entwicklung, der bäuerlichen Landwirtschaft und dem Thema gesunde Ernährung (Nutrition) ein?
Hermann Gröhe: Wir brauchen eine nachhaltige Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung, die den bäuerlichen Familien – gerade auch den Kleinbauern – Perspektiven aufzeigt und gleichzeitig umwelt- und ressourcenschonend ist. Agrarökologie wird dieser Ansatz genannt. Dies muss Hand in Hand gehen mit der ländlichen Entwicklung, mit Bildung, neuen Erwerbsmöglichkeiten und dem Aufbau von Wertschöpfungsketten. Die ländlichen Räume müssen insgesamt stärker gefördert werden. Und wir müssen das Wissen über Ernährung noch besser vermitteln. Denn Fehlernährung finden wir oft bei Kindern auf dem Land. Schlüssel ist hierbei auch eine bessere Bildung für Frauen und Mädchen.
Frage 3: Der Klimawandel schürt Ernährungsunsicherheit besonders in Entwicklungsländern. Zugleich ist Landwirtschaft selbst ein Treiber der Klimakrise. Welchen Beitrag sollte Deutschland hier leisten?
Hermann Gröhe: Klimagerechte Lösungen auch für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern zu entwickeln, muss aufbauend auf den von Deutschland vor allem in Afrika eingerichteten Grünen Innovationszentren weiterhin im Mittelpunkt der Hungerbekämpfungsmaßnahmen stehen. Dazu zählen z.B. sparsame Bewässerungsmethoden, die Ernten unter den Bedingungen des Klimawandels stabil halten oder sogar steigern. Gleichzeitig müssen wir die Erkenntnisse unserer eigenen Forschung dazu in Deutschland unseren Partnern in Afrika, aber auch in Asien und Südamerika zur Verfügung stellen und in gemeinsamen Projekten mit ihnen angepasst weiterentwickeln – das nützt beiden Seiten.
Frage 4: Welchen Stellenwert nimmt die Armutsbekämpfung im Spannungsfeld zur Wirtschaftsförderung in der Entwicklungszusammenarbeit ein? Muss sie ein zentraler Schwerpunkt bleiben?
Hermann Gröhe: Die nachhaltige Bekämpfung von Armut ist das erste der nachhaltigen Entwicklungsziele und wird daher auch ein vorrangiges Ziel unserer Entwicklungszusammenarbeit bleiben. Dazu gehört die Verbesserung des Zugangs zur Grundversorgung wie Ernährung, Wasser, Bildung und Gesundheit. Eine Verknüpfung der Entwicklungszusammenarbeit mit der strategischen Außenwirtschaftsförderung steht dazu nicht im Gegensatz. Vielmehr schaffen gerade Unternehmen, die verantwortungsbewusst in Entwicklungsländern investieren, nachhaltige Arbeitsplätze und fördern so den Wohlstand für alle.
Frage 5: Wo Konflikte lodern oder schwelen, herrscht häufig Hunger. Wie sollte Deutschland sich hier stärker engagieren – und auf welcher Ebene? Und welches Konzept würden Sie für die Unruhezone Sahel angesichts des bisherigen Misserfolgs der militärischen Mission – auch mit Blick auf den gescheiterten Einsatz in Afghanistan - entwickeln?
Hermann Gröhe: Deutschland und Europa müssen mit Prävention und Vermittlung mehr Verantwortung im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika einschließlich des Sahel übernehmen. Durch humanitäre Hilfe und eine gezielte Entwicklungszusammenarbeit, die darauf ausgerichtet sind, zur Lösung von Konflikten beizutragen, z.B. durch eine gerechte Verteilung knapper Ressourcen wie Land, können wir die Lebensperspektiven verbessern. Zugleich unterstützen wir den Kampf gegen den Terrorismus. In Afghanistan wurde das Ziel erreicht, dass das Land nach den Terroranschlägen in den USA kein sicherer Ort für Terroristen blieb. Andere Ziele wurden verfehlt, was sicherlich aufgearbeitet werden muss.
Frage 6: Inwiefern wird eine menschenrechtsbasierte Politik im Zentrum ihres Handelns stehen? Sei es in Fragen der Lieferketten oder bei der Stärkung der weltweiten Zivilgesellschaft?
Hermann Gröhe: Neben den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen und dem Pariser Klimaschutzabkommen sind die Menschenrechte auch in der konkreten Zusammenarbeit mit armen Ländern unser Leitbild für eine gerechte Globalisierung, für eine friedliche und nachhaltige Entwicklung in der Welt. Die Beachtung von Menschenrechten sowie von sozialen und ökologischen Mindeststandards insbesondere in den Lieferketten kann besser erreicht werden, wenn Staat, Wirtschaft und eine starke Zivilgesellschaft eng zusammenarbeiten. Das gerade beschlossene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz unterstreicht dies.