Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Deutschland ist ein starker Sozialstaat. Wir reden heute über einen Einzelplan, der 32 Prozent des Bundeshaushalts umfasst: 161 Milliarden Euro. Dieser Sozialstaat hatte in den letzten zwei Jahren seit Beginn der Coronapandemie einen einmaligen Stresstest zu bestehen. Wenn wir uns die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ansehen, dann stellen wir fest, dass dieser Sozialstaat diesen Stresstest bisher gut bestanden hat. Darauf können wir gemeinsam stolz sein!
Dazu hat maßgeblich das Instrument des Kurzarbeitergeldes beigetragen, das schnell geholfen hat, das gut geholfen hat. Es ist ein teures Instrument, aber es ist billiger, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Gerade weil wir der BA Dank dafür schulden, in welcher Weise tausende Mitarbeiter in die Administration von Kurzarbeit neu einsteigen mussten, wäre es angemessen gewesen, ihnen nicht nur zu danken, sondern den Fehlbetrag im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit durch einen Zuschuss auszugleichen, statt gnädig ein Darlehen zu gewähren.
Es ist schade, dass sich der Bundesarbeitsminister da nicht gegen den Bundesfinanzminister durchgesetzt hat. Und es ist noch bedauerlicher, dass die Ampel unserem Antrag im Haushaltsausschuss nicht gefolgt ist.
Meine Damen, meine Herren, wir sind in einer Situation, in der sich der Arbeitsmarkt als robust erweist und in der wir zu Recht im Sommer die Regelungen des Kurzarbeitergeldes wieder auf die Normalsituation vor der Krise einstellen können. Es ist aber vor allen Dingen auch eine Chance, auch Langzeitarbeitslosen und Menschen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen zur Teilhabe durch Arbeit zu verhelfen. Das ist es, was sich Langzeitarbeitslose zuallererst wünschen. Wir haben mit dem sozialen Arbeitsmarkt Wichtiges auf den Weg gebracht. Diesen Weg gilt es konsequent fortzusetzen.
Falsch aber ist es, vor der kleinen Gruppe hartnäckiger Mitwirkungsverweigerer zu kapitulieren.
Deswegen ist die Aussetzung von Sanktionen ein völlig falsches Signal.
Ich betone das auch, weil Sie damit einen Vorgriff auf das sogenannte Bürgergeld machen wollen.
Es ist schon interessant, dass Sie in Ihrem Koalitionsvertrag davon sprechen, das Bürgergeld solle der Würde des Einzelnen und der Einzelnen gerecht werden. Das ist entweder eine Selbstverständlichkeit - dann muss es übrigens nicht „soll“, sondern „muss“ heißen -, oder Sie machen sich eben doch die Lesart zu eigen, wonach in unseren Jobcentern die Würde der Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger gleichsam systematisch missachtet wird. Wir weisen diesen Vorwurf gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Jobcentern entschieden zurück!
So wie Langzeitarbeitslose es nicht verdient haben, unter Generalverdacht zu stehen, so schulden Sie auch denen Respekt, die mit ihrer täglichen Arbeit den Sozialstaat umsetzen.
Sie schulden außerdem auch denen Respekt, die mit täglicher Arbeit, zu der sie pünktlich erscheinen, durch Beiträge und Steuern den Sozialstaat erst ermöglichen. Die werden übrigens auch sanktioniert, wenn sie einfach nicht erscheinen.
Insofern müssen Sie sich schon die Frage stellen, wem Sie Respekt zollen.
Klar ist: Die Zahlen auf dem Arbeitsmarkt sind gut. Die Zahlen auf den Preisschildern sind dramatisch. Was auf den Preisschildern an den Zapfsäulen und den Supermarktregalen steht, erschüttert vor allem die Menschen mit kleinen Einkommen. Aber auch Menschen mit mittleren Einkommen sehen mit Entsetzen, wie Ersparnisse fürs Alter wie Eis in der Sonne schmelzen.
Die Frage einer wirksamen Bekämpfung der Preissteigerung ist die entscheidende soziale Frage in diesem Land. Dafür braucht es ein kluges Miteinander von Sozial-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Und da versagt die Ampel in dramatischer Weise.
Herr Heil schlägt ein soziales Klimageld vor. Er nimmt ein Wort aus dem Koalitionsvertrag, das dort etwas ganz anderes meint, nämlich die Rückgabe der Steigerung der CO2-Bepreisung. Er weist dann noch darauf hin, eigentlich seien Herr Habeck und Herr Lindner zuständig, aber er sei verantwortlich. - So auf den Unterschied zwischen Verantwortlichkeit und Zuständigkeit hingewiesen, sagt Herr Lindner, er freue sich auf Finanzierungsvorschläge von Herrn Heil. Herr Heil hat bisher übrigens einen Vorschlag gemacht: Herr Lindner solle endlich seine Arbeit machen.
Herr Lindner sagt daraufhin: Die Vorschläge von Herrn Heil passen nicht und sind zu bürokratisch.
Im Übrigen mache er bei steuerfinanzierten Umverteilungstöpfen nicht mit.
Meine Damen, meine Herren, der Bundeskanzler spricht von einer konzertierten Aktion gegen Preissteigerungen. Statt eines Konzerts bietet sein eigenes Kabinett aber ein klägliches Stimmengewirr. Das ist das Gegenteil von einem harmonischen Konzert.
Wenn Sie weiter bei der Preissteigerung versagen, dann nützt auch ein höherer Mindestlohn nichts.
Ich sage sehr deutlich: Wir stehen nicht gegen einen Mindestlohn von 12 Euro.
Wir stehen nicht dagegen; das haben wir hier immer gesagt.
Wenn Sie weiter so bei der Preissteigerung versagen, ist das zu wenig.
Aber wir reichen nicht die Hand für die Entmündigung der Sozialpartner. Weil Sie so stolz Andrea Nahles zitiert haben, sage ich: Als die Mindestlohnkommission eingesetzt wurde, hat Andrea Nahles vor einem politischen Mindestlohn gewarnt, weil dieser, so Andrea Nahles wörtlich, der Willkür und dem Populismus Tür und Tor öffnet.
Wenn Sie Geschichtsklitterung betreiben, dann sage ich: Eine Mindestlohnkommission hat ein CDU-Bundesparteitag 2011 vorgeschlagen. So ist es gekommen. Wir sagen Ja zu einem angemessenen Mindestlohn, aber Nein zur Schwächung der Sozialpartnerschaft.
Herzlichen Dank.