Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Bundesminister, unser Land, unsere Wirtschaft und auch unser Sozialstaat machen zurzeit einen dramatischen Stresstest durch. Die Pandemie ist noch nicht überwunden, da treffen uns die Folgen von Putins Angriffskrieg und die Energiepreisexplosion mit großer Wucht. Zugleich dürfen wir nicht vergessen: Viel, viel härter trifft dieser Krieg die Menschen in der Ukraine selbst. Täglich sterben dort Frauen, Männer und Kinder. Wir wollen den Erfolg der Ukraine als Voraussetzung für den Frieden.
Ich danke allen, die sich jetzt in unserem Land für die vielen Flüchtlinge aus der Ukraine und für die Unterstützung der Ukraine selbst einsetzen, für ihren starken und großartigen Einsatz.
Wir wollen, dass unser Sozialstaat diese Herausforderung gut meistert. Wer auf einen dramatischen Winter hofft, wer will, dass aus den Sorgen vieler Menschen Wut wird, der versagt politisch, der versagt moralisch und der hat für sein schäbiges Tun eine klare Antwort aller Demokratinnen und Demokraten verdient, meine Damen, meine Herren.
Wir unterstützen alle sinnvollen Maßnahmen, um die Not vieler Menschen zu lindern. Gut, dass nun auch Rentnerinnen und Rentner, Studentinnen und Studenten eine Einmalzahlung erhalten; wir haben dies nachdrücklich gefordert.
Wir hätten uns eine gezieltere Einmalzahlung gewünscht: Mehr Geld für die, die bis weit in die Mitte unserer Gesellschaft hinein jeden Cent umdrehen müssen, keine Unterstützung für die, die sie nicht brauchen.
Ein guter Ansatz ist es, Sonderzahlungen von Steuern und Abgaben zu befreien, wenn sich Sozialpartner darauf einigen; das begrüßen wir ausdrücklich. Hoffentlich nutzen viele Betriebe dies. Hoffentlich können sie es auch nutzen.
Gar nicht zu diesen Maßnahmen passt eine Gasumlage, die die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft belastet, um auch Unternehmen zugutezukommen, die dies gar nicht brauchen.
Wie sagt der SPD-Kollege Dirk Wiese? „Handwerkliche Umsetzung bedenklich, und am Ende zahlt der Bürger drauf.“
Sie hätten heute diesen Unsinn stoppen können. Sie hätten heute diesen Unsinn stoppen müssen. Schade, dass Sie dies nicht getan haben.
Gerade in der Krise muss um jeden Arbeitsplatz gekämpft werden. Am Samstag hat in meinem Wahlkreis in Neuss die Aluminiumhütte Rheinwerk ihr 60-jähriges Bestehen gefeiert. Doch beim Gespräch mit Betriebsratschef und Werksleiter war uns nicht nach unbeschwertem Feiern zumute; denn es zeichnete sich ab, was heute Gewissheit ist: ein Zurückfahren der Produktion um 50 Prozent. Das Warten auf Lösungen bei Strompreis und Gaspreis bedeutet für diese Unternehmen das Bangen um den Fortbestand vieler Arbeitsplätze, und dies gilt erst recht für viele kleine und mittelständische Betriebe.
In dieser Lage ist es unverantwortlich, nicht alle Möglichkeiten der eigenen Stromerzeugung zu nutzen, um der Preisentwicklung entgegenzuwirken, meine Damen, meine Herren.
In der sozialpolitischen Debatte des Sommers waren viele Überschriften Wortgeklingel und mancher Koalitionsstreit in der Ampel zu erleben.
Sie haben ja das Bürgergeld angesprochen, Herr Minister, und wortreich vorgestellt. Es wurde von der FDP sofort und nachvollziehbar kritisiert im Hinblick auf die Neuberechnung der Regelsätze und den weitgehenden Verzicht auf Sanktionen - und zwar zu Recht; denn es wäre falsch, das Verhältnis von Grundsicherung und Arbeitsentgelten grundsätzlich zu ändern.
Das hat der Koalitionsausschuss nun ja auch abgeräumt; denn in Ihrem Beschluss steht ausdrücklich: Bei im Übrigen unveränderter Systematik solle - darüber können wir ja reden - über eine schnellere Inflationsanpassung geredet werden.
Wie Sie wissen, lehnen wir die weitgehende Abschaffung der Möglichkeit der Durchsetzung von Mitwirkungspflichten ab. Der Landkreistag warnt zu Recht eindringlich vor Schritten hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen.
Der Kollege Johannes Vogel hat zu einem fairen Bürgergeld wörtlich erklärt, dazu gehöre, dass - Zitat - „an dem vom Verfassungsgericht bestätigten Umfang an Sanktionen“ festgehalten wird. Wo er Recht hat, hat er Recht.
Sie aber nennen das Einknicken vor Mitwirkungsverweigerern auch noch „Vertrauenszeit“. Das ist absurd, das sollte so nicht umgesetzt werden, meine Damen, meine Herren.
Ja, es gibt Dinge zu tun. Der Revisionsbericht der Bundesagentur für Arbeit zeigt: Die Maßnahmen der Unterstützung, Begleitung und Förderung müssen zielgerichteter werden. Wichtiger als neue Titel und Prämien sind Maßnahmen, die aus Sicht der Menschen, die zu ihnen gehen, auch Sinn machen. Hier ist harte Arbeit erforderlich und nicht einfach Wortgeklingel.
Bei 1,9 Millionen offenen Stellen müssen wir alles tun, um Menschen in Ausbildung und Arbeit zu vermitteln. Und was tun Sie? Sie kürzen bei der Integration in Arbeit um 600 Millionen Euro - ein völlig falscher Schritt.
Der Arbeitsminister hat das Thema Fachkräftemangel und Fachkräftezuwanderung angesprochen. Ihm wird jedenfalls noch bewusst sein, dass wir in der letzten Legislaturperiode ein modernes Fachkräfteeinwanderungsrecht geschaffen haben.
Ist deswegen die Arbeit erledigt? Nein! Wir müssen viel tun, um attraktiver zu werden: schnellere Visaverfahren, schnellerer Spracherwerb, schnellere Berufsanerkennung. All dies wird mit neuen Überschriften nicht gelöst, sondern nur mit harter Arbeit. Dazu sollten Sie bereit sein.
Ein anderes Beispiel sei genannt: Ja, ich habe es begrüßt, dass die FDP im Sommer stolz über die Aktienrente geredet hat. Ich hätte mir gewünscht, die SPD hätte ihr in der letzten Legislaturperiode getätigtes Versprechen, mit uns einen Neustart in der privaten Alterszusatzversorgung umzusetzen, eingelöst. Sie sind jetzt so stolz auf das Erreichte. Aber wo ist es denn im Haushalt? Wo sind denn die 10 Milliarden Euro? Im zweiten Haushalt dieser Ampel ist kein Cent dafür eingestellt. Jeder weiß: 10 Milliarden Euro in einem Kapitalstock sind kaum in der Lage, Zinserträge zu erwirtschaften, die bei 300 Milliarden Euro Rentenausgaben eine signifikante Rolle spielen.
Sie reden schön, aber Sie tun zu wenig. So werden Sie Ihrer sozialen Verantwortung nicht gerecht, meine Damen, meine Herren!