Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
vielleicht wissen Sie es: Nur wenige Meter hinter dem Reichstagsgebäude verlief einst die Berliner Mauer – jene Grenzanlage, die vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989 West-Berlin vom Ostteil der Stadt und vom Umland abschnitt. An ihr ließen mindestens 130 Menschen auf der Flucht ihr Leben, einige von ihnen auch im direkten Umfeld des Reichstagsgebäudes an der Spree.
An die Toten erinnern heute weiße Kreuze, zum Teil versehen mit Namen und dem Todesdatum - zum Beispiel an Chris Gueffroy, der noch im Februar 1989 beim Fluchtversuch an einem Kanal in Berlin-Treptow erschossen wurde und das letzte Todesopfer der Berliner Mauer war. Die Kreuze gehen auf einen Berliner Bürgerverein zurück, der sie als Mahnmal erstmals im Jahre 1971 errichtete.
Mich bewegen die Kreuze jedes Mal, wenn ich an ihnen vorbeikomme. Sie erinnern mich auch an meine persönliche Familiengeschichte. Denn auch meine Eltern kehrten der DDR den Rücken. Sie wollten in Freiheit eine Familie gründen und ihren Kindern eine gute Zukunft ermöglichen. Für sie war die Flucht in den Westen im Jahr 1958 trotz zahlreicher Beschwernisse noch möglich. Ab dem 13. August 1961 jedoch bedeutete jeder Fluchtversuch eine hohe Gefahr für Leib und Leben. Über 17 Millionen Menschen waren über Nacht zu Gefangenen der eigenen Regierung geworden.
Im Laufe der Jahre baute der Unrechtsstaat der DDR die Mauer umfassend aus, erweiterte sie um Todesstreifen, Selbstschussanlagen und den berüchtigten „Schießbefehl“: Auf alle, die flüchten wollten, sollte geschossen werden. Am 13. August erinnern wir gerade an diejenigen, die beim Versuch, in die Freiheit zu fliehen, ihr Leben verloren. Und wir denken an den großen Mut aller, die sich in der friedlichen Revolution von 1989 ohne Gewalt durchsetzten, der Freiheit zum Sieg verhalfen und die Mauer endlich zum Einsturz brachten.
Nachdenklich grüßt Sie
Ihr – Hermann Gröhe