Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Ministerin Schulze, Sie werben zu Recht für eine starke Politik im Bereich „wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“. Ja, dann machen Sie sie doch auch!
Wir alle wissen: Globale Krisen treffen gerade die Ärmsten der Armen. Das gilt für die Folgen des Klimawandels, die Nahrungsmittelanbauflächen gefährden, ja häufig zerstören. Das gilt für die Folgen der Coronapandemie, die uns beim Kampf gegen den Welthunger zurückgeworfen haben und vielerorts Bildung von jungen Menschen gefährden, und das gilt schließlich auch für den Krieg gegen die Ukraine. Natürlich leiden unter diesem schrecklichen Krieg vor allem die Menschen, die in der Ukraine selbst leben; aber seine globalen Folgen gerade bei der Nahrungsmittelversorgung treffen eben auch wieder in besonderer Weise die Ärmsten der Welt.
Meine Damen, meine Herren, der Krieg gegen die Ukraine mag Mehrbedarf begründen, etwa auch im Hinblick auf die Nachbarschaft Russlands, zum Beispiel im Kaukasus oder in Zentralasien. Er begründet keineswegs Ihre Streichungen. In einer Zeit, in der es mehr globale Solidarität braucht, sinkt der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung um 1,57 Milliarden Euro. Das offenbart eine völlig verfehlte Prioritätensetzung dieser Regierung.
Sie können uns keineswegs auf den angekündigten Nachtragshaushalt verweisen; denn viele Ihrer Kürzungspläne lassen sich keineswegs unter Hinweis auf den Krieg in der Ukraine rückgängig machen.
Ja, der Ukrainekrieg verschärft - darauf haben Sie zu Recht hingewiesen - die Hungerkrise. Russland und die Ukraine haben an den weltweiten Exporten von Weizen einen Anteil von 30 Prozent, von Mais 20 Prozent, von Sonnenblumenkernen als Grundlage für Speiseöl gar 75 Prozent. Gerade Nordafrika, der Nahe Osten und Subsahara-Afrika sind vom Wegfall dieser Exporte dramatisch betroffen. Aber schon vor dieser Krise war allein durch die Folgen der Coronapandemie der Kampf gegen den Hunger in der Welt, unter dem mehr als 800 Millionen Menschen bitter leiden, deutlich betroffen. Und was machen Sie?
Sie reduzieren den Kernbeitrag für das Welternährungsprogramm um 40 Prozent. Bei der Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ streichen Sie 60 Millionen Euro, mehr als 10 Prozent. So werden Sie unserer Verantwortung nicht gerecht.
In einer Zeit, in der vielerorts Freiheitsräume für zivilgesellschaftliche Aktivitäten beschnitten werden - die internationale Debatte findet unter dem Schlagwort „Shrinking Space“ statt -, kürzen Sie die Mittel für die entwicklungspolitischen Vorhaben der Kirchen und der privaten Träger, obwohl gerade deren Partnerschaften häufig für bedrängte zivilgesellschaftliche Akteure eine wichtige Schutzfunktion entfalten.
Und zu allem Überfluss kürzen Sie die Förderung freier Medien um 25 Prozent. In einer Zeit, in der sich weltweit Krisen zuspitzen, senken Sie die Mittel für Krisenbewältigung und Wiederaufbau um 380 Millionen Euro. Das sind sage und schreibe 40 Prozent. 40 Prozent! Sieht bei Ihnen eigentlich keiner mehr Nachrichten?
Meine Damen, meine Herren, das ist doch unglaublich.
In einer Zeit, in der wir gemeinsam Wert darauf legen, dass verantwortlich gestaltete Lieferketten wichtig sind, und wir deswegen die Wirtschaft mit einem Lieferkettengesetz in die Pflicht nehmen - und ich habe mich stets dazu bekannt -, kürzen Sie im Bereich der Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft über 70 Millionen Euro - mehr als 25 Prozent. Andere in die Pflicht nehmen, aber sich selber aus der Verantwortung stehlen, das passt nicht zusammen, meine Damen, meine Herren. Bei der Bilateralen Finanziellen Zusammenarbeit, einem Kernstück unserer Entwicklungszusammenarbeit, kürzen Sie rund 350 Millionen Euro, fast 15 Prozent.
Schließlich sei auch auf das Thema „globale Gesundheit“ hingewiesen. Ich will ausdrücklich begrüßen, dass die Bundesregierung im Rahmen der G-7- Präsidentschaft nachgeholt hat, was im Koalitionsvertrag unterblieben ist: sich zu dieser Führungsrolle zu bekennen. Ich begrüße auch ausdrücklich, dass im Einzelplan 60 über 1 Milliarde Euro vorgesehen sind für die weltweite Verteilung von Impfstoff in den Entwicklungsländern; das will ich ausdrücklich unterstreichen.
Aber wenn wir aus der Pandemie etwas lernen, dann, dass es eben auch um die Stärkung von Gesundheitssystemen vor Ort geht. Wenn Sie die Mittel für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria zusammenstreichen - in der jetzigen Förderperiode sind es 1 Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt; zukünftig sind von Ihnen 630 Millionen Euro vorgesehen -, dann wird auch das unserer Vorbildfunktion in der Welt nicht gerecht, meine Damen, meine Herren.
Das kann man vielleicht später im Vollzug reparieren, aber jetzt werden doch auch die Weichen für die Zusagen anderer Geber gestellt. Es wird Sie nicht wundern, dass die Nichtregierungsorganisationen Ihren Haushalt klar beurteilen. Es sei eine völlig unverständliche Entscheidung, sagt „Brot für die Welt“. Der Dachverband VENRO sagt, die Kürzungen kämen zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Bliebe es dabei, so sei dies - so wörtlich - eine Schande.
Ihr Haushalt bleibt hinter jedem eigenen Anspruch zurück. Aber schlimmer ist: Der Fehlstart der Ampel in der Entwicklungspolitik gefährdet die Verantwortung unseres Landes für die globale Entwicklung. Wir als Union finden uns damit nicht ab.